Donnerstag, 24. September 2015

Heute schon ein Universum erschaffen?

Habt ihr schon einmal versucht, ein Universum zu erschaffen? - Nicht? Dann ist es höchste Zeit dafür!

Gehen wir es also an! Was wir zur Verfügung haben, sind einige fundamentale Parameter, an denen wir schrauben können, wodurch sich die physikalischen Gesetze ändern.

So sieht unser Universum auf richtig großen Skalen aus (Bildausschnitt aus der "Millennium Simulation").
Wäre doch super, wenn wir heute gedanklich auch ein solches Universum kreieren könnten - also ein Universum mit innerer Struktur, Sternen und Galaxien.
(Credit: Max Planck Institute for Astrophysics)

Versuch 1: Bang! - Wir zünden einen Urknall. Unser Universum beginnt zu existieren und bläht sich auf, angetrieben durch eine Art “negative, repulsive Gravitation”, welche durch einen hohen Wert des für die kosmische Inflation verantwortlichen “Inflaton-Feldes” verursacht wird. Masse in Form von Teilchen entsteht. Doch auf einen Schlag hört die Expansion der soeben in Erscheinung getretenen Raumzeit auf, unser Universum kollabiert in sich selbst und ist futsch.

Was ist schiefgelaufen? Nun, da das Universum verschwunden ist, ist das schwer zu eruieren. Möglicherweise wurde zu viel Materie produziert oder wir haben die Stärke der Gravitationkraft zu hoch gewählt, sodass all die im Universum befindliche Masse die Expansion abgebremst und eine Kontraktion eingeleitet hat.

Wie auch immer, probieren wir es einfach noch einmal!


Versuch 2: BANG! - Jetzt bin ich mir momentan nicht sicher: War dieser Urknall lauter als der vorherige? Ich habe jedoch keine Zeit, über diese Frage nachzudenken, weil mir unser neues Universum gerade um die Ohren fliegt. So viel Raum hast du in so kurzer Zeit noch nie entstehen sehen! Dort und da schwirren ein paar Wasserstoffatome umher, doch sie können ihresgleichen nicht finden, da die kosmische Expansion alles auseinanderzieht. Somit entstehen keine schweren Elemente durch Fusion, das Universum ist leer, kalt und langweilig. Schade, denn ich hätte dieses Mal gerne ein paar Sterne zusammengebracht.

Was hat uns dieses Universum verdorben? Nun ja, ich könnte mir vorstellen, dass wir etwa den Wert der kosmologischen Konstante zu hoch gewählt haben und die "Dunkle Energie" unser Universum schneller aufgeblasen hat als beabsichtigt. Aber woher sollen wir auch wissen, dass dieser Wert nicht viel größer als winzige 10-122 sein darf? Die Naturgesetze kommen schließlich ohne Handbuch.


Versuch 3: Bang! - Dieses Mal entwickelt sich unser Universum eigentlich ganz gut. Es kollabiert nicht sofort und auch die Expansion läuft nicht völlig aus dem Ruder. Die vorhandene Materie entkoppelt schließlich von der allgegenwärtigen Strahlung und es wird vorerst finster im Universum. (Das ist ein gutes Zeichen, weil dies möglicherweise der Beginn der Bildung von Galaxie-Strukturen ist!) Doch selbst nach hunderttausendejahrelangem Warten ist es immer noch stockdunkel. Kein Stern taucht auf, nichts will fusionieren und das All erleuchten. All die schweren Elemente, die wir für vertrautes Leben brauchen, können nicht entstehen.

Oh verflucht, jetzt hat's schon wieder nicht geklappt! Irgendwie halten unsere Nukleonen, also die Atomkern-Bausteine, nicht zusammen. Die Anfangsparameter wurden schon wieder falsch gewählt und nun ist es nicht möglich, die Nukleonen nachträglich irgendwie zusammenzukleben. Wir haben ein Universum ohne Gaffer-Tape erschaffen.


Versuch 4: ...Ach, ich habe jetzt keine Lust mehr dazu...

(Credit: xkcd.com)

Ihr seht schon, es ist verdammt schwierig, ein Universum zu erschaffen, das unserem ähnelt und Leben ermöglichen kann. Tatsächlich stellt sich heraus, dass all die Parameter und Naturkonstanten in unserem Universum unglaublich präzise aufeinander abgestimmt sind. Nimmt man nur kleine Änderungen an manchen von ihnen vor, spielen die physikalischen Gesetze verrückt und ein Universum, wie wir sie kennen, kann nicht mehr existieren. Diese Tatsache ist als "Feinabstimmung" oder "fine-tuning" des Universums bekannt. Nach wie vor ist es ein völliges Rätsel, warum die Naturgesetze so sind, wie sie eben sind, denn es gibt bislang keine Erklärung für dieses nahezu perfekte Zusammenspiel der Naturkonstanten, ohne welches uns vertrautes Leben unmöglich wäre.

Natürlich gibt es einige Erklärungsversuche für das fine-tuning-Problem.
So besagt das "anthropische Prinzip" etwa, dass es nicht verwunderlich ist, dass wir in einem solch fein abgestimmten Universum leben, denn wäre das nicht der Fall, so würden wir nicht existieren und fähig sein, solche Fragen zu stellen. Das erscheint zwar auf den ersten Blick logisch und plausibel, doch ist dieses anthropische Prinzip zur Erklärung der kosmischen Feinabstimmung bei zahlreichen Personen verschiedener Fachbereiche umstritten. So formuliert John Leslie das anthropische Prinzip etwa als “jedes intelligente Lebenwesen, welches ist, kann sich selbst nur dort vorfinden, wo intelligentes Leben möglich ist” und betrachtet es als eine Tautologie.
Ich persönlich argumentiere ebenfalls nur ungern mit diesem Prinzip. Es könnte zwar sein, dass wir nie eine wirkliche Erklärung für das fine-tuning finden werden und “es ist so, wie es ist, denn wäre es anders, könnten wir nicht sein” die beste Interpretation sein wird, doch widerspricht eine Weltdeutung mit Hilfe des anthropischen Prinzips meiner Meinung nach dem neugierigen Geist der Wissenschaft, indem es entmutigt, weitere und tiefergreifende Fragen zu stellen. Das anthropische Prinzip ist zwar ein interessantes Konzept und hat durchaus verdient diskutiert zu werden, doch sollte man sich - so denke ich - davon nicht abhalten lassen, weiterhin neugierig und systematisch die Welt zu betrachten, um vielleicht letztendlich doch noch eine befriedigendere Erklärung für unsere Existenz zu finden.

Eine andere Möglichkeit zur Erklärung des fine-tunings wäre, dass unser Universum nur eines von vielen ist. In diesem Multiversums-Szenario würden zahlreiche (unendlich viele?) Universen entstanden sein und entstehen - jedes mit einem anderen Satz von Naturkonstanten und Parametern und somit anderen physikalischen Gesetzen. Gibt es unzählige verschiedene Universen, ist es plötzlich nicht mehr verwunderlich, dass auch zufällig eines dabei ist, in dem die Naturgesetze so perfekt auf kohlenstoffbasiertes Leben abgestimmt sind wie in unserem. Diese Überlegungen klingen für Nicht-Kosmologen wahrscheinlich sehr gekünstelt und absurd, doch gibt es in der Tat einige physikalische Modelle, die das Konzept des Multiversums nahelegen und in ihrem Rahmen plausible erscheinen lassen. Tatsächlich gefunden haben wir andere Universen allerdings noch nicht, was an dieser Stelle zu erwähnen wahrscheinlich überflüssig ist.

All diese Erklärungsversuche sind zwar “educated guesses”, aber dennoch nur “guesses”. Das schwierige an diesen Konzepten ist vor allem die Tatsache, dass sie bislang keine falsifizierbaren Vorhersagen machen und somit streng genommen nicht in den Bereich der Wissenschaft fallen. (Nichtsdestotrotz bieten sie Stoff für höchst interessante philosophische Diskussionen.)

Wie sieht ein Multiversum aus? Hat es Ähnlichkeiten zu kochendem Wasser, in welchem an Inhomogenitäten ständig Dampfblasen entstehen, wobei viele von ihnen nicht die kritische Größe erreichen und sofort wieder kollabieren, während das Wachstum derjenigen Blasen, die die kritische Größe übersteigen, nicht mehr aufzuhalten ist?
(Credit: Angelsharum, via Wikimedia Commons)

Um das kosmische fine-tuning allerdings wahrhaftig wertschätzen zu können, möchte ich ein Beispiel dafür geben - nämlich den sogenannten "Triple-Alpha-Prozess", der im Inneren von Sternen auftritt und dafür verantwortlich ist, dass genug Kohlenstoff und Sauerstoff im Universum entstanden ist, um unser Leben zu ermöglichen. Für mich als eine Sauerstoff atmende Ansammlung von und kuriose Konstruktion aus Kohlenstoff ist es außerordentlich faszinierend, welch (wortwörtlich) kosmische Auswirkungen ein so kleiner Effekt im Rahmen der in Sternen stattfindenden Kernfusionen auf Leben im Universum hat.

Was es mit dem Triple-Alpha-Prozess nun aber auf sich hat, werde ich im nächsten Beitrag erklären. Wir haben heute schon mehrere Universen erschaffen und wieder kaputt gemacht - lasst uns besser nochmals durchatmen, bevor wir dann etwas tiefer in die Teilchenphysik eindringen!

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