Mittwoch, 22. Januar 2014

BMX-Tricks auf einem fahrenden LKW? - Die Physik ist auf eurer Seite!

Momentan verbringe ich ja wieder einmal viel Zeit in der Universität und besuche dementsprechend oft die Mensa in der Mittagspause. Dort gibt es nicht nur Fenster und Essen, sondern auch die Möglichkeit, für einen Moment vom Uni-Alltag abzuschalten. Dass ich aber gerade an diesem Ort auf die Grundlage von Albert Einsteins spezieller Relativitätstheorie treffe, damit habe ich nicht gerechnet.

Nun gut, zugegebenermaßen liegt das wahrscheinlich hauptsächlich daran, dass ich in der Uni meistens den Kopf mit Physik vollgestopft habe und sich viele in der gleichen Situation wohl eher auf das Gulasch am Teller konzentrieren wollen. Wie auch immer, ich möchte hier kurz ein paar Wörter zur Relativitätstheorie erzählen und erklären, warum man diese derzeit in der Mensa antrifft.

Konkret geht es um dieses Video eines BMX-Fahrers, welches momentan in den Uni-Screens zu sehen ist:


Im Video sieht man einen BMX-Fahrer, der ein paar Tricks in einer Halfpipe (Oder nennt man das Ramp? Oder ganz anders? ...ich bin kein BMX-Experte!) macht, während ein LWK mitsamt der Halfpipe in der Stadt umherfährt. "Ziemlich eindrucksvoll" dachte ich mir im ersten Moment!

Doch wenn man von der psychischen Überwindung absieht, die vermutlich notwendig ist, wenn man als Biker in diese fahrende Halfpipe springt, und auch davon absieht, dass die Tricks und die sportliche Leistung wirklich beeindruckend sind, dann wirkt die ganze Showeinlage nach kurzer Überlegung gar nicht weiterhin spektakulär - zumindest nicht aus physikalischer Sicht.

Wie sich herausgestellte, sind die physikalischen Gesetze in jedem gleichförmig bewegten Bezugssystem gleich. Ob man als BMXler nun in einer normalen ("stationären") Halfpipe trickst, oder ob man das auf einer Halfpipe macht, die sich gleichförmig bewegt, macht keinen Unterschied. Die Physik ist die gleiche, man spürt keinerlei zusätzliche Kräfte oder Beschleunigungen, wenn man seine Stunts auf einem fahrenden LKW macht. Tatsächlich könnte man nicht einmal feststellen, ob man sich bewegt, falls sich die Halfpipe in einem großen, fensterlosen Container befinden würde. Jedes Bezugssystem ist gleichberechtigt - in jedem System herrscht die gleiche Physik mit all ihren Gesetzen! Mit diesen Worten kann man ganz grob dieses sogenannte Relativitätsprinzip beschreiben.

Der BMX-Fahrer im Video ist also ein anschauliches Beispiel für die Gültigkeit des Relativitätsprinzips!

Natürlich gilt das ganze nur für diejenigen Bezugssysteme, die keine Beschleunigung erfahren. Gibt der LKW Gas, bremst er oder ändert er seine Fahrtrichtung während der Biker gerade in der Luft ist, wird dieser es natürlich sofort zu spüren bekommen. Spätestens dann, wenn ihm der LKW unter den Rädern wegfährt, wird er merken, dass die Physik von gleichförmig bewegten Bezugssystemen nicht mehr wie gewohnt funktioniert.
(Außerdem wird der unangeschnallte Fahrgast in der Halfpipe immer mehr Luftwiderstand spüren, je schneller sich der LKW bewegt. Auch in diesem Fall könnte er Rückschlüsse auf seinen Bewegungszustand ziehen, selbst wenn er die Augen verbunden hätte. Doch wie man im Video sieht, rollt der LKW langsam, sodass man einen zusätzlichen Einfluss des Luftwiderstandes getrost vernachlässigen kann.)

Interessant ist, dass man aus diesem Relativitätsprinzip zentrale Aussagen der speziellen Relativitätstheorie herleiten kann - nämlich den berühmten Gamma-Faktor (bzw. für Physiker: der γ-Faktor). Dieser ist dafür verantwortlich, dass die Zeit in sich relativ zu einem Beobachter bewegenden Bezugssystemen langsamer vergeht oder die Längen von sich relativ bewegenden Dingen in Bewegungsrichtung verkürzt wird.

Ich will an dieser Stelle gar nicht weiter ausschweifen und den γ-Faktor und die damit verbundenen Phänomene der Zeitdilatation oder der Lorentzkontraktion erklären, sondern stattdessen auf ein paar Videos des großartigen YouTube-Channels Sixty Symbols verweisen, wie z.B. dieses hier.

Mit etwas Neugier, Interesse und Übung kann man also an jedem Ort ein Stück faszinierender Physik finden. Das heißt nicht gleichzeitig, dass einem das Gulasch deshalb nicht mehr schmecken kann - ganz im Gegenteil: Man erkennt, dass das Gulasch unverändert gut schmecken würde, selbst wenn die gesamte Mensa gleichförmig durch die Stadt fahren würde. (Dennoch würde ich natürlich kritisch sein und eine fahrende Mensa zuerst auf physikalischen Gehalt überprüfen!) ;-)