Samstag, 9. November 2013

Einstein, Prinzessin Leia und das Telefon-Hologramm

Stell dir vor, du hast einen langen Stab in der Hand - einen ganz langen Stab, der bis zum Mond reicht. Auf der Mondoberfläche steht dein Freund und hält das weit entfernte Stabende fest. Zeitgleich läuft im Fernsehen ein wichtiges Fußballspiel, welches euer Kumpel auf dem Mond zwar sehen kann (die NASA hat ihm freundlicherweise erlaubt, einen (akkubetriebenen) Fernseher auf seinen Spaziergang mitzunehmen), jedoch aufgrund der Zeitverzögerung das "Echtzeit-Feeling" vermisst. (Die Funksignale der Erde brauchen immerhin etwa 1,2 Sekunden, bis sie den Mond erreichen.) Deshalb habt ihr euch ausgemacht, dass du jedes Mal, wenn seine Lieblingsmannschaft ein Tor schießt, den Stab bewegst. So weiß er, dass ein Tor fällt, noch bevor es ihm der Fernseher 1,2 Sekunden später mitteilt. Die Information wurde ihm somit mit Überlichtgeschwindigkeit übermittelt.
Doch halt - hier haben wir einen Widerspruch zu Einsteins Relativitätstheorie, laut welcher sich nichts (nicht einmal irgendeine Art von Information) schneller als das Licht fortpflanzen kann! Irgendetwas stimmt hier nicht! (Und wie ihr bereits vermutet habt, ist es nicht die Relativitätstheorie!)
Vielmehr liegt der Gedankenfehler bei der Signalübertragung über den Stab: Die "Information der Bewegung" kann sich auch im Stab nicht schneller als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Sobald du das erdnahe Ende des Stabes bewegst, wandert eine Welle (mit Unterlichtgeschwindigkeit!) entlang des Stabes. Solange diese Welle nicht bei deinem Freund ankommt, weiß dieser gar nicht, dass du den Stab bereits bewegt hast. Er erfährt es erst später, sogar erst nachdem ihn die Funksignale erreicht haben. (Die ganze Sache mit dem Stab hättet ihr euch also sparen können.)
Eine Folge der Relativitätstheorie ist also, dass es keine Körper geben kann, die vollkommen starr sind. Alles muss bis zu einem gewissen Grad elastisch, verformbar und biegsam sein, denn sonst wäre eine Informationsübertragung schneller als das Licht in der Tat möglich.

Doch wir kennen aus dem Alltag zahlreiche Objekte, die absolut starr und fest erscheinen. Setzt man diese einer Kraft aus, müssten sie sich ja eigentlich verformen, egal wie schwach die Kraft ist, oder? Nehmen wir an, du hast von der Unmöglichkeit der überlichtschnellen Übertragung erfahren und rufst deinen Freund am Mond an, um ihm diese schlechte Nachricht zu überbringen. Nach einigen Erklärungen über die Interferometrieexperimente von Albert Abraham Michelson und Edward Morley, welche die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in allen Bezugssystemen nahelegten, und zahlreichen Ausschweifungen über die Form der Lorentztransformationen legst du enttäuscht den Hörer auf das Telefon. Dabei wird dir bewusst, dass sich der ganze Telefonapparat aufgrund des Gewichts des Hörers ja eigentlich verformen müsste. Kann man diese winzigen Verformungen irgendwie sichtbar machen?
Die Antwort ist: Ja, kann man. Und der heutige Artikel soll eine Methode vorstellen, die dies ermöglicht.
Ein "Fernsprechtischapparat" aus den 1970ern, oder wie ich gerne sage: "Telefon".
Würde uns die Physiologie und die Physik nicht einen Strich durch die Rechnung machen, könnten wir die kleinen Verformungen aufgrund des Hörergewichts direkt sehen. Bei derart kleinen Krafteinwirkungen sind die Verformungen womöglich kleiner als die Wellenlänge des Lichts, das vom Telefonapparat reflektiert wird und unser Auge erreicht. Daher reicht die Auflösung einfach nicht aus, um kleine Strukturen und Verformungen zu erkennen.

Wir werden daher tief in die physikalische Trickkiste greifen und uns der Methode der holographischen Interferometrie bedienen.

Prinzessin Leia als Hologramm
(Szene aus Star Wars, Episode IV - Eine neue Hoffnung)

Wenn es um Hologramme geht, denken viele vielleicht an die Szene aus Star Wars, in welcher der Droide R2-D2 den Hilferuf der Prinzessin Leia in Form eines Hologramms überbringt. (Zumindest ich denke an Star Wars, da ich es mir vor kurzem wieder angesehen habe.)
Vielleicht denken manche aber auch an die etwas realistischere Form von Hologrammen, wie sie z. B. in diesem Video recht eindrucksvoll gezeigt wird.


Um das Kernthema des Artikels (die holographische Interferometrie) zu verstehen, werde ich nun ein bisschen etwas über Hologramme schreiben.

Als "Erfinder" der Holographie gilt der Ingenieur Dennis Gábor, der für das Konzept der Holographie im Jahr 1971 den Nobelpreis für Physik erhielt. Die Motivation hinter seiner "Erfindung und Entwicklung der holographischen Methode" bestand allerdings nicht in der dreidimensionalen Abbildung von Objekten, sondern vielmehr in der Verbesserung des Auflösungsvermögens von Mikroskopen. Die technische Umsetzung der Holographie war allerdings bis zur Erfindung des Lasers nur sehr begrenzt möglich.

Freitag, 1. November 2013

Ein Raumanzug für Mona Lisa - Fehlerkorrigierende Codes (Gastbeitrag)

Heute gibt's etwas Besonderes, etwas Erstmaliges: einen Gastartikel.
Es werden Methoden vorgestellt, die uns in unserem technischen Alltag eine Vielzahl von Sorgen nehmen. Dank der folgenden klugen Überlegungen ist es z. B. möglich, diesen Artikel fehlerfrei auf eure Bildschirme zu bringen - und alleine deswegen hat die Technik der fehlerkorrigierenden Codes bereits ihre Berechtigung, wie ihr nach dem Lesen des folgenden Textes von Jakob Kogler sicher auch denken werdet! ;-)




Einleitung

Vergangene Woche wurde von der NASA der Rekord für die schnellste Datenübertragung durch das Weltall gebrochen. Seit eh und je verwendet die NASA zur Kommunikation mit Satelliten, der Crew von der ISS, usw. sogenannte RF-Systeme, sprich Radiowellen. Mittlerweile gerät diese Technik aber an ihre Grenzen. Durch bessere Messgeräte, größere Auflösung bei Kameras,... entstehen immer mehr Daten, die zur Erde gesendet werden sollen. Doch die Geschwindigkeit bei Funkübertragungen ist begrenzt. Dadurch treffen wichtige Ergebnisse erst verspätet an bzw. HD-Videos können nicht live angesehen werden. Deshalb experimentiert die NASA seit einiger Zeit mit alternativen Techniken. Letzte Woche ist es ihnen bei der LLCD (Lunar Laser Communication Demonstration) gelungen, den alten Rekord zu brechen. Bei dieser neuen Technik werden pulsierende Laserstrahlen verwendet, die für eine deutlich schnellere Übertragung sorgen. Im vergangenen September wurde dazu der Satellit LADEE in den Orbit des Mondes geschossen. Über die große Distanz von 385.000 Kilometern wurde eine Downloadgeschwindigkeit (Mond → Erde) von 622 Mbps und Uploadgeschwindigkeit (Erde → Mond) von 20 Mbps gemessen, was ungefähr der 5-fachen alten Geschwindigkeit entspricht.
Satellit LADEE und die Kommunikation über Laserstrahlen
(Credit: NASA)
Bereits im Januar dieses Jahres ist diese neue Technik in die Medien gerückt, als ein ähnliches Experiment stattfand. Damals wurde allerdings nicht die Geschwindigkeit untersucht, sondern die Fehleranfälligkeit. Wie man sich denken kann, ist so eine Übertragung nicht perfekt, schließlich liegt die Erdatmosphäre zwischen Sender und Empfänger. Bei diesem Experiment wurde eine digitale Version der Mona Lisa mit einer Auflösung von 152x200 Pixel zu einem mondnahen Satelliten geschickt. Zum Testen der Fehleranfälligkeit schickten sie das Bild einmal in Rohform und einmal veränderten sie die Daten vorher mit einem bestimmten mathematischen Verfahren, das ich in diesem Artikel vorstellen möchte. Das Ergebnis sieht man in der folgenden Grafik. Links ist das Ergebnis der normalen Übertragung, bei welcher große Teile des Bildes nicht richtig angekommen sind, wobei weiße Pixel fehlende und schwarze Pixel falsche Daten indizieren. Rechts hingegen kann man keine Fehler beobachten.
Ergebnis der Übertragung der Mona Lisa
(Credit: Xiaoli Sun, NASA Goddard)
Dieses mathematische Verfahren nennt sich "fehlerkorrigierende Codes"; in diesem Fall verwendete die NASA einen speziellen Reed-Solomon-Code. Diese Codes sind alltäglicher als man glaubt. Jeder von uns verwendet tägliche diese Technik. Schließlich übertragen wir ständig Daten, sei es übers Handy (Anrufe, SMS, Internet), am PC, wo Daten von der Festplatte oder von der RAM gelesen werden, wenn wir uns eine CD anhören, ... An all diese Übertragungen stellen wir eine wichtige Anforderung. Die Daten sollen genauso ankommen, wie sie ursprünglich waren. Eine CD bekommt nach kurzer Zeit Kratzer, doch wir möchten die Musik rauschfrei genießen, bei Funkübertragungen stören kosmische oder elektromagnetische Strahlen, trotzdem möchten wir keine SMS der Art "Tref/*n um 1%:00" entziffern müssen, und wir wollen keine wichtigen Daten verlieren, nur weil irgendwo beim Speichern ein kleiner Fehler passiert ist.

Die wie wird man diese Fehler los? Die Physik kann keine hundertprozentig fehlerfreie Übertragung gewährleisten. Neben dem Interpolieren der fehlerhaften Daten gibt es ein anderes mathematisches Verfahren. Man greift schon vor dem Versenden mittels fehlerkorrigierenden Codes ein. Bei diesem Verfahren bringt man die Daten vor dem Senden auf eine spezielle Gestalt, sodass man, falls bei der Übertragung Fehler passieren, diese erkennen und korrekt ausbessern kann.