Samstag, 20. Juli 2013

Entwicklung der Quantenphysik VII: Wie sehen Atome aus?

Als Max Planck 1874 seinen Physikprofessor in München fragte, wie denn die beruflichen Aussichten nach einem Physikstudium seien, wurde ihm geraten, nicht Physik zu studieren, denn nach der damaligen Ansicht vieler Physiker war "in dieser Wissenschaft schon fast alles erforscht" und es galt "nur noch, einige unbedeutende Lücken zu schließen". Eine dieser "unbedeutenden Lücken" war das Problem der Ultraviolett-Katastrophe der Hohlraumstrahlung. Planck gelang es, diese Lücke mit seiner Quantenhypothese zu schließen. Wie sich jedoch herausgestellt hatte, war dieses Problem alles andere als nur ein unbedeutendes und kleines - vielmehr stellte seine Lösung unser ganzes physikalisches Weltbild auf den Kopf und legte einen Grundstein für eine neue, umfangreiche und äußerst präzise Theorie: die Quantenphysik. Hätte Plancks ehemaliger Physikprofessor gewusst, dass sein Schüler einer der bedeutendsten Physiker aller Zeiten werden wird, hätte er ihm wohl niemals vom Physikstudium abgeraten. So gesehen gut, dass sich der junge Planck doch nicht dem Musikstudium widmete.
Max Planck in München, 1874
(Quelle: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Max_Planck_1874.png)

Viele neue Ideen und Konzepte folgten Plancks Quantenhypothese, wie wir in den letzten Artikeln gesehen haben. So erkannte man z. B., dass Licht aus Photonen ("Wellenpaketen") besteht, dass man herkömmliche "Teilchen" (z. B. Elektronen) analog zum Licht durch Welleneigenschaften beschreiben kann, dass diese Materiewellen jedoch nur eine Wahrscheinlichkeit repräsentieren, das Teilchen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu finden, oder dass es fundamentale Grenzen in der gleichzeitigen exakten Bestimmbarkeit von Impuls und Ort eines Teilchens gibt.

Ist jemandem aufgefallen, dass wir trotz unserer mikroskopischen Beschreibung von Licht und Materie noch gar nicht darauf eingegangen sind, wie unsere Materie tatsächlich aussieht? Anders gefragt: Wie kann man sich ein Atom vorstellen? Diese Frage soll heute genauer behandelt werden.


Obwohl die meisten der bisherigen Quantenphysik-Artikel bereits im Text zuvor verlinkt wurden - hier ist nochmal ein schlichter Überblick über diese Artikelserie.


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Über die Entwicklung der Atomvorstellung könnte man wohl auch eine nette Artikelserie schreiben (steht schon auf meiner Merkliste ;-) ). Viele verschiedene Atommodelle wurden vorgeschlagen und (experimentell) widerlegt. Man fand schließlich heraus, dass Atome aus einem Kern bestehen müssen, der die Ladung +Z·e (Z mal der Elementarladung = 1,602·10-19 C) trägt und einen kleineren Radius als 10-14 Meter hat. Dabei ist fast die gesamte Atommasse im Kern konzentriert. Den Kern umgibt eine Hülle, die Z Elektronen der Ladung -e enthält. Diese Elektronen haben eine äußerst kleine Masse (verglichen mit dem Kern) und befinden sich in einem Gebiet, das ungefähr 1012 bis 1015 mal so groß ist wie der Kern.
Aber wie sieht diese Elektronenhülle aus? Sind die Elektronen statistisch um den Kern verteilt? (Diese Anordnung wäre aufgrund der elektrostatischen Anziehung zwischen dem positiven Kern und den negativen Elektronen nicht stabil.) Oder bewegen sich die Elektronen irgendwie um den Kern? (Die Elektronen müssten dann laut der klassischen Elektrodynamik Energie abstrahlen, sodass die Atome auf lange Zeit ebenfalls nicht stabil sein könnten.)

Weitere experimentelle Beobachtungen mussten zusätzlich durch das theoretische Atommodell erklärt werden können. So fand man etwa, dass Atome Licht nur in ganz bestimmten Wellenlängen aufnehmen bzw. abstrahlen können. Daraus resultieren die für die jeweilige Atomsorten ganz typischen Absorptions- bzw. Emissionsspektren.

Für diese Spektren fand man experimentell folgende Gesetzmäßigkeiten:
  • Jede Wellenlänge, die von einem Atom absorbiert werden kann, kann von diesem auch emittiert werden, wenn dem Atom zuvor die entsprechende Energie zugeführt wird.
  • Jedes Atom hat ein ganz typisches und charakteristisches Absorptions- bzw. Emissionsspektrum. Dieses Spektrum ist für das Atom eindeutig. (Dadurch werden so tolle Sachen, wie z. B. "Spektralanalyse", erst möglich.)
  • Egal wie gut die Messgeräte sind, die Spektrallinien weisen immer eine Intensitätsverteilung mit endlicher Breite auf (= die Spektrallinien haben immer eine gewisse "Dicke"). Die von Atomen ausgesandte Strahlung besteht also nie aus nur einer Wellenlänge, ist also nie streng monochromatisch.
    (Warum das so ist, werde ich in dieser Artikelserie nicht erklären, denn das würde etwas zu weit führen und Mathematik erfordern, die wohl viele Leser nicht interessiert. Trotzdem nur einer (von mehreren) Gründen, warum die Spektrallinien nicht unendlich dünn sein können: Die immer vorhandenen Zitterbewegungen der Atome rufen aufgrund des Doppler-Effekts kleine Frequenzverschiebungen in der ausgesandten Strahlung der Atome aus.)

Das Emissionsspektrum des einfachsten Atoms - des Wasserstoffatoms - sieht so aus:
Sichtbares Wasserstoff-Spektrum
(Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Visible_spectrum_of_hydrogen.jpg)

Für diese Serie von Spektrallinien ("Balmer-Serie") fand Johann Jakob Balmer 1885 ein einfaches Gesetz.

Doch etwas später fanden Theodore Lymann und Friedrich Paschen weitere Serien von Spektrallinien, die ebenfalls durch Balmers Formel erklärt werden konnten, wenn man etwas andere "Bezugspunkte" einsetzt.
(Im folgenden Bild findet man die Balmer-Serie vertikal gespiegelt - dies liegt nur an der "Achsenbeschriftung": Im oberen Bild nimmt die Wellenlänge von links nach rechts zu, während im folgenden Bild die Wellenlänge von links nach rechts abnimmt.)

(Quelle: eurekasparks.ga)

Wie lassen sich diese experimentellen Resultate theoretisch erklären? Wie muss ein Atom aussehen, um diese Spektren erzeugen zu können?

Viele verschiedene Modelle wurden von vielen verschiedenen Leuten ausgetüftelt. Doch keines konnte alle Beobachtungen vereinigen und konsistent beschreiben.
Im Jahre 1931 gelang es einem Physiker jedoch, ein durchaus ästhetisches Modell des Atoms zu entwerfen, das durchaus in der Lage war, die experimentellen Resultate zu produzieren.

Dieses nette Modell werde ich im nächsten Artikel beschreiben. Das Schöne daran ist, dass es ein besonders anschauliches Modell ist, wenn man es ohne Mathematik behandelt. Doch auch wenn man die Mathematik hinter dem Modell betrachtet, hat man kaum Schwierigkeiten, diese nachvollziehen zu können. So elegant dieses Modell auch scheinen mag - es stellt leider trotzdem nicht die ganze Wahrheit dar. Aber dazu mehr im nächsten Teil...


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